Die Not der frühen Nachkriegsjahre

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-sd-
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Die Not der frühen Nachkriegsjahre

Beitrag von -sd- »

Die Not der frühen Nachkriegsjahre:
Bewegte Zeiten - die 50er Jahre.


Die fünfziger Jahre - Aufschwung und beginnende Stagnation.
Wiederaufbau und Verdrängung.

Nach "tausendjährigem" Gleichschnitt und Gedankendiktat
erste zaghafte Versuche, die eigene Meinung zu artikulieren,
kollektive Forderungen zugunsten individueller Wünsche ab-
zuwehren.

Aber noch waren sie nicht völlig vorrüber, die beschwerlichen
Jahre der Trümmerbeseitigung, des Hungers, der existentiellen
Not. Noch immer gab es Schwarzmärkte und Hamsterfahrten.
Immer noch schlängelten sich einsame Schuttpfade, von Beifuß
und Brennesseln überwuchert, durch bizarre Ruinenpanoramen,
standen die Heimkehrer "draußen vor der Tür".

Was hatten sie nicht alles durchgemacht ? Wieviel hielt ein
Mensch aus ? Ihre Hände hatten Schwielen bekommen, ihre
Herzen dicke Schwarten.

Damals, in den fünfziger Jahren, wurden die Weichen gestellt.
Der Weg in die - nicht dem eigenen Wunsch erwachsene,
sondern von den Siegern verordnete - Demokratie war lang
und steinig. Er wurde erschwert durch die Gegensätze zwischen
Ost und West, durch die Teilung des Landes. Aus den einstigen
Gefährten der westlichen Alliierten im Kampf gegen Nazi-
Deutschland, waren Gegner im Kalten Krieg geworden.

Die Bösen waren immer die da drüben. Drüben drohte der
Bolschewismus, drüben praßte der Klassenfeind.

In den Köpfen der Deutschen vermengte sich immer noch
viel altes und neues Gedankengut. Das Obrigkeitsdenken, die
Ausgrenzung von Minderheiten - vieles davon bestimmte
weiter das Verhalten der Leute hüben und drüben. Man iden-
tifizierte sich mit den Siegern und Opfern und entzog sich
mehr und mehr der unbequemen Verlierer- und Täterrolle.

Mit 'Kalinka' und Soljanka im Osten, Lumberjack und Lucky
Strike im Westen imitierten die Besiegten die Besieger und
Besatzer und fühlten sich mit ihnen eins.

Doch an vielen Stammtischen herrschten weiter Fremden-
feindlichkeit und offener Antisemitismus.

Nach Stalins Tod kehrten die letzten Kriegsgefangenen aus
Rußland zurück. Nach vielen Jahren des Alleinseins mußten
sich die Familien neu arrangieren. Den fragenden Söhnen
standen die betreten schweigenden Väter gegenüber. Ein
tiefer Generationskonflikt begann, sich abzuzeichnen. Für
die Jungen ebenso so schmerzhaft wie für die Alten.

Max Brauer, der Sohn eines Altonaer Glasbläsers, war aus dem
amerikanischen Exil zurückgekehrt und hatte das Amt des
Hamburger Bürgermeisters übernommen. Er war es, der die
Hansestadt nach dem Krieg wiedererstehen ließ, der die Ham-
burger in den Jahren des Hungers und der Kälte mit seinem
Glauben an die Zukunft aufrichtete. Er sorgte für mehr Kohle,
mehr Nahrung, mehr Zuversicht. Fast in letzter Minute ver-
hinderte er die geplante Demontage der Hamburger Docks.
Der Hamburger Hafen war gerettet.

Quelle:
Mathes Rehder 'HAMBURG. Bewegte Zeiten - Die 50er Jahre.'
Wartberg-Verlag. 2. überarbeitet Auflage 1999.


-

Die beschwerlichen Jahre der Trümmerbeseitigung, des Hungers,
der existentiellen Not.

Damals trugen die Kinder noch Leibchen aus Wolle, an ihnen
hingen Bänder mit Gummistöpseln, mit denen die langen
Strümpfe befestigt wurden.

Viele Väter waren gefallen, vermißt oder in Gefangenschaft.
Die Mütter waren es, die damals alle Lasten tragen mußten.

"Auferstanden aus Ruinen", wie "die da drüben" sangen.

Noch heute erkennt man die Frauen, die halfen, die Kriegs-
trümmer zu beseitigen daran, daß sie im Gegensatz zu den
späteren Generationen ihre Ansprüche, wenn es die Situation
verlangt, von einer Minute zur anderen auf Null herunter-
fahren können, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.

Der Hunger war nach wie vor groß. Die 1300 Kalorien , die
damals jedem Bewohner der Britischen Besatzungszone zu-
stehen sollten, erwiesen sich eher als Fatamorgana. In der
Praxis waren Fett, Fleisch und Milch am Ende der vierziger
Jahre noch immer Mangelware. Erst im Sommer 1948 schien
sich die Lage zu bessern. Am 1. Mai 1950 wurde die Lebens-
mittelrationierung aufgehoben.

Solange hatten amerikanische Zigaretten als sicherstes Zahlungs-
mittel gegolten - eine "Ami" entsprach etwa sieben Reichsmark.

Anfang der fünfziger Jahre begann das Hamburger Gesundheits-
amt mit den regelmäßigen Kontrollen der Schulklassen. Noch
immer herrschte qualitativer Nahrungsmangel bei den Kindern.

Die ersten Schritte in Richtung Demokratie.

Viele Jahre hindurch hatte in Deutschland die eigene Meinung
nicht gezählt. Sie zu äußern, bedeutete sogar Lebensgefahr. So
hatten sich die Deutschen daran gewöhnt, ohne eigenes Urteil
zu leben.

Im Ostteil des Landes herrschten - unter anderem Vorzeichen -
erneut Maulkorbzwang und staatlich verordneter Konformismus.

Nach einer Übergangszeit, in der die britische Militärregierung
nur ein Nachrichtenblatt herausgegeben hatte, vergab sie im
März 1946 Lizenzen zur Herausgabe von deutschen Tages-
zeitungen (z.B. in Hamburg dreimal die Woche vier bis sechs
Seiten).

"Wir sind noch einmal davongekommen", hieß ein Theaterstück
von Thorton Wilder, das nach dem Krieg auch die deutschen
Bühnen eroberte.

Jüngeren (Hamburgern) fällt es manchmal schwer, wenn sie heute
durch ihre schöne heile Stadt spazieren, sich vorzustellen, daß
viele dieser Häuser, Anlagen und Straßen buchstäblich auf Trüm-
mern entstanden sind.

Früher teilte der Hamburger Volksmund die Kirchengemeinden
der Stadt so ein: "In St. Petri de Rieken, Nicolai desglieken,
Katharinen de Sturen, Jacobi de Buren, Michaele de Armen -
dat Gott mag erbarmen."

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Berliner Häuser im Jahre 1945.
Der Hunger war groß, das Brennholz knapp.


Am 8. Mai 1945, der später in der DDR einige Jahre zum offizie-
llen Feier-'Tag der Befreiung' wurde, bot die Reichshauptstadt
Berlin ein trostloses Bild. Bert Brecht nannte Berlin den "Schutt-
haufen bei Potsdam". Von den etwa 245.000 Gebäuden war fast
ein Fünftel zertrümmert oder schwer beschädigt. 600.000 Woh-
nungen (von 1,5 Millionen) waren zerstört, weitere 100.000
schwer beschädigt. Zwischen den Trümmern und in den Kellern
lebten noch etwa 2,3 Millionen Einwohner - gegenüber 4,3 Mil-
lionen vor dem Krieg -, zwei Drittel davon sind Frauen.

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Nach dem Krieg lag Berlin in Trümmern. Besonders hart traf
es das Zentrum. So war im Bezirk Mitte mehr als die Hälfte der
Gebäude total zerstört oder nur äußerst schwer wieder her-
stellbar.

In den Aufbaujahren räumten die Berlinerinnen und Berliner
insgesamt 75 Millionen Kubikmeter Schutt weg, gewannen
daraus Baumaterial und schütteten riesige Trümmerberge auf.

Unmittelbar nach dem Krieg war der Hunger groß, das Brenn-
holz knapp. Dies hinterließ noch lange Spuren in der Stadt:
Der Tiergarten wurde verheizt und auch der Grunewald
großflächig gerodet.

Lückenlose Luftbilder von 1953 zeigen eine Stadt im Aufbau,
mit deutlichen Spuren des Krieges - noch ohne Mauer, aber
dennoch geteilt.

Über nachstehenden Link kann man Luftbilder vergleichen:
https://interaktiv.morgenpost.de/berlin-1953-2016/


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