Siegfried Aufhäuser - Nestor der Angestelltenbewegung.

Menschen und Charaktere. Herausragende Persönlichkeiten der gewerkschaftlichen Angestelltenbewegung.
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-sd-
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Siegfried Aufhäuser - Nestor der Angestelltenbewegung.

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Siegfried Aufhäuser -
Nestor der Angestelltenbewegung.


Der Name Siegfried Aufhäuser (1884-1969) ist untrennbar verbunden
mit der Geschichte der deutschen gewerkschaftlichen Angestellten-
bewegung. Seit seiner Lehrlingszeit gewerkschaftlich organisiert, war
es Siegfried Aufhäuser, der als Gewerkschaftsführer des Bundes tech-
nischer Angestellter und Beamter (BuTAB) unermüdlich auf einen
Zusammenschluß der bis dahin zersplitterten freigewerkschaftlichen
Angestelltenverände drängte. Noch während des Ersten Weltkriegs
gelang es 1917, die Arbeitsgemeinschaft freier Angestelltenverbände
(AfA) zu gründen. In engem Kontakt mit dem allgemeinen Deutschen
Gewerkschaftsbund (Dachverband der freigewerkschaftlichen Arbeiter-
verbände) konstituierte sich dann im Jahre 1920/21 der allgemeine
freie Angestelltenbund, zu dessen Vorsitzenden Siegfried Aufhäuser
gewählt wurde. Unter seiner umsichtigen Führung trug der AfA-Bund
entscheidend dazu bei, in der Weimarer Republik bedeutsame Verbes-
serungen für die deutsche Angestelltenschaft zu erringen.

Für Siegfried Aufhäuser war es selbstverständlich, auch im politisch-
parlamentarischen Raum für die Interessen der Angestellten zu kämp-
fen. Als sozialdemokratischer Reichtagsabgeordneter gehörte er von
1921 bis 1933 dem deutschen Reichstag an und war aktiv an der
Schaffung der Arbeitslosenversicherung, des Arbeitsgerichtsgesetzes,
des Kündigungsschutzgesetzes für Angestellte, dem Aufbau der Ange-
stelltenversicherung und des Angestelltenrechts sowie des Tarifvertrags-
rechts beteiligt.

Der Kampf der Gewerkschaften galt - wie heute auch - aber auch
jenen, die die freiheitliche Demokratie bis aufs Blut bekämpfen. Als
im Jahre 1920 beim Kapp-Putsch die Brigade Ehrhard mit schwarz-
weiß-roten Fahnen in Berlin einmarschiert war, forderte Karl Legien
für den ADGB und Siegfried Aufhäuser für den AfA-Bund die Arbeiter,
Angestellten und Beamten zum Generalstreik auf. Der Solidarität der
Arbeiter und Angestellten sowie ihrer Gewerkschaften war es zu ver-
danken, daß der Putsch rasch scheiterte.

Als das Nazi-Regime an die Macht kam und die Gewerkschaften zer-
schlug, mußte sich Siegfried Aufhäuser als politisch und rassisch Ver-
folgter ins Exil nach Prag retten. Von Prag aus beteiligte sich Auf-
häuser in der SOPADE-Gruppe aktiv am Widerstand gegen den deut-
schen Faschismus. Als Hitler 1938 die Tschechoslowakei okkupierte,
war Aufhäuser erneut auf der Flucht vor den Nazi-Schergen. Diesmal
nach Nordamerika. In New York betätigte sich Aufhäuser vor allem
als Schriftsteller und Redakteur. Gemeinsam mit Max Brauer, dem
späteren Ersten Bürgermeister Hamburgs, leitete Aufhäuser im Exil
die German Labour-Delegation und war im Council for a democratic
Germany Vorsitzender der Gewerkschaftsgruppe.

Als Siegfried Aufhäuser 1951 in seine Heimat zurückkehrte, war es
für ihn selbstverständlich, sich am Aufbau einer Einheitsgewerkschaft
der Angestellten zu beteiligen. Für ihn war die Zusammenfassung der
ehemaligen Richtungsgewerkschaften der Angestellten der Weimarer
Republik zur parteipolitisch konfessionell unabhängigen Einheits-
gewerkschaft der Angestellten nach all den leidvollen Erfahrungen
ein konequenter, notwendiger Schritt, für deren Ausbau er nunmehr
als Landesverbandsleiter der DAG in Berlin (1952-1958) und Mitglied
des Hauptvorstands der DAG seine ganze Kraft einsetzte.

Das erste Grundsatzprogramm der DAG wurde von Siegfried Aufhäuser
entscheidend mitgeprägt. Ihm kam es darauf an, in einer Zeit des
technischen Wandels und des damit verbundenen Strukturwandels
des Arbeitsprozesses durch Ergreifen geeigneter Maßnahmen und
Forderungen auch die Interessen der Angestellten als Teil der Arbeit-
nehmerschaft zu wahren und zu sichern. Ebenso bemühte sich dieser
große Angestelltengewerkschafter, Antifaschist und Sozialdemokrat
bis an sein Lebensende - ungeachtet mancher Widerstände diesseits
und jenseits der organisatorischen Grenzen - um ein gut nachbar-
liches Verhältnis zwischen DAG und DGB-Gewerkschaften.

Ungeachtet seiner großen Leistungen und Verdienste stellte Siegfried
Aufhäuser immer die Sache über seine Person: "Die gewerkschaftliche
Angestelltenbewegung hat" - so sagte Siegfried Aufhäuser einmal -
"mir mehr gegeben als ich für sie zu tun vermochte. Der AfA-Bund
hat mich nach dem Ersten Weltkrieg gelehrt, wie die moderne
Gewerkschaft die Vergangenheit des kleinen Handlungsdieners durch
Erwecken zum sozialen Bewußtsein des modernen Angestellten be-
wältigen kann, und die DAG hat mir nach dem Zweiten Weltkrieg de-
monstriert, wie denkende Angestellte die Gegenwart und die Zukunft
zu meistern vermögen."

Die DAG ist sich ihrer Verantwortung im Rahmen der deutschen
Gewerkschaftsbewegung immer bewußt geblieben.

Quelle: Der Angestellte 339, Januar 1980.
Mitgliederzeitschrift der Deutschen Angestelltengewerkschaft.
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