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Der Begriff 'Deutsches Kaiserreich'.
Um die unterschiedlichen Epochen des Deutschen Reiches
klar zu unterscheiden, spricht man heute, wenn man das
Deutsche Reich während der Zeit zwischen 1871 und 1918
meint, vom Deutschen Kaiserreich. Dies war zwar zu keiner
Zeit die offizielle Staatsbezeichnung, doch der Begriff hat
sich heute sowohl in der Wissenschaft als auch in der Alltags-
sprache durchgesetzt.
Vielleicht interessieren auch Sie sich
für die nachfolgende Homepage
http://www.deutsche-kaiserreich.de/
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Deutsches Kaiserreich 1871-1918:
Königreiche: Königreich Bayern
Königreich Preußen
Königreich Sachsen
Königreich Württemberg
Großherzogtümer: Großherzogtum Baden
Großherzogtum Hessen
Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin
Großherzogtum Mecklenburg-Strelitz
Großherzogtum Oldenburg
Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach
Herzogtümer: Herzogtum Anhalt
Herzogtum Braunschweig
Herzogtum Sachsen-Altenburg
Herzogtum Sachsen-Coburg-Gotha
Herzogtum Sachsen Meiningen
Fürstentümer:
Fürstentum Lippe (Detmold)
Fürstentum Schaumburg-Lippe
Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt
Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen
Fürstentum Reuß Ältere Linie (Greiz)
Fürstentum Reuß Jüngere Linie (Gera)
Fürstentum Waldeck
Freie Städte:
Freie Hansestadt Bremen
Freie und Hansestadt Hamburg
Freie und Hansestadt Lübeck
Reichsland: Reichsland Elsass-Lothringen
Preußische Provinzen: Stadt Berlin
Provinz Brandenburg
Provinz Hannover
Provinz Hessen-Nassau
Provinz Ostpreußen
Provinz Pommern
Provinz Posen
Provinz Rheinland
Provinz Sachsen
Provinz Schlesien
Provinz Schleswig-Holstein
Provinz Westfalen
Provinz Westpreußen
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Deutsches Reich: Kaiserreich (1871-1918).
Wilhelm II. zwischen Weltmachtstreben und Versagen.
Als Wilhelm II. am 4. Juni 1941 im Alter von 82 Jahren im
holländischen Exil starb, waren es nur noch 14 Tage bis zum
Angriff Hitlers auf die Sowjetunion. Mit diesem Datum, dem
22. Juni 1941, begann das letzte Blatt in der Geschichte
Preußens. Königsberg, die Stadt in der Friedrich I. 1701 zum
preußischen König gekrönt worden war, wurde russisches
Staatsgebiet und das Berliner Schloß, aus sowjetischer Sicht
markantestes Symbol der Hohenzollern-Dynastie, zerstört.
War der letzte regierende Hohenzoller ihr Totengräber ge-
wesen ?
Anlagen, Erziehung und die prägenden Erfahrungen im
ersten Drittel seines Lebens haben zu der häufig als
"schillernd" bezeichneten Persönlichkeit des letzten deut-
schen Kaisers entscheidend beigetragen. Bei der Thron-
besteigung 1888 war er 29 Jahre alt, ein eher jugendlicher
Kaiser. Doch seine Großmutter, die britische Königin Victoria,
war erst 18 bei ihrer Krönung und zeigte sich der gewaltigen
Aufgabe, ein Weltreich zu regieren, voll gewachsen, anders
als ihr Enkel, über dessen Unreife die Mutter, Victorias
älteste Tochter "Vicky" oft sorgenvolle Briefe nach Schloß
Windsor schrieb.
Auch der Vater Wilhelms II., der nur drei Monate regierende
Friedrich III., hatte sich nur langsam und spät entwickelt.
Sein Erzieher, General von Unruh, wies die Eltern mehrfach
daraufhin und kämpfte mit großer Beharrlichkeit darum,
den jungen Prinzen von "den Strahlen des königlichen
Glanzes" fernzuhalten. Von einer "allzu systematischen
Erziehung" halte er nicht viel, so schrieb er seinem desig-
nierten Nachfolger Roon, und der Prinz habe bei ihm durch-
aus keine fürstliche, ja nicht einmal eine aristokratische,
sondern eine bürgerliche Erziehung erhalten.
Dieses Konzept war noch ein letzter Nachklang der preußi-
schen Reformzeit, die den gebildeten Offizier hervorgebracht
hatte. Es wurde von Augusta, der weimarischen Prinzessin
und ersten deutschen Kaiserin, mit viel Diplomatie gegen
die Wünsche des Vaters, Wilhelm I., durchgesetzt. Augusta,
eine kluge und hochgebildete Frau, hatte die parlamentari-
sche Monarchie Englands vor Augen, und suchte die Erziehung
des Sohnes vorsichtig in diese Richtung zu lenken. Die Ehe
ihres Sohns mit der britischen Kronprinzessin schien ein viel-
versprechender Schritt auf diesem Wege zu sein. Bismarcks
tiefe Abneigung gegen beide Frauen, Augusta und ihre
Schwiegertochter, rührte von seiner entschiedenen Ableh-
nung des britischen Parlamentarismus, und er ließ sich auch
nicht die Gelegenheit entgehen, darauf hinzuweisen, daß es
in der Familie der Hohenzollern noch nie Krüppel gegeben
habe. Erst die Heirat mit einer Engländerin hatte Preußen
einen körperlich behinderten Thronfolger beschert. Die
linke Schulter des Kindes war bei der Geburt schwer beschä-
digt worden, der linke Arm war und blieb gelähmt.
Diese Behinderung war ein böses Kindheitstrauma. Der zu-
künftige preußische Monarch würde weder reiten noch ein
Gewehr halten können, Fähigkeiten, die in der höfischen
Welt, aber auch aus der Sicht großer Teile der Bevölkerung
zu den selbstverständlichen Attributen eines Fürsten ge-
hörten. Gymnastische Übungen, die dem kleinen Prinzen
verordnet wurden, zeigten nur wenig Erfolg. Erst die harten
Methoden des von den Eltern engagierten Dr. Hinzpeter,
eines Gymnasiallehrers, führten zur Überwindung der
schweren Gleichgewichtsstörungen. Reitstunden im Schloß-
garten, auf einem Pony, von dem der achtjährige Junge täg-
lich ungezählte Male herunterfiel, stellten eine eiserne
Dressur dar. Bei dem vielbewunderten Vorfahr, Friedrich II.,
hatte die Erziehung des Vaters schließlich zur Persönlichkeits-
veränderung geführt, bei Wilhelm II. führte sie zu einer ver-
krampften, übertriebenen Selbstbehauptung. Es galt, den
schneidigen jungen Offizieren, deren Gesellschaft er nach
dem 1878 abgelegten Abitur bevorzugt suchte, zu zeigen,
daß er ihnen als ihr zukünftiger Oberkommandierender in
allem gewachsen war. Auch hier hatte der mit calvinistischer
Arbeitsaskese vorgehende Dr. Hinzpeter persönliche Schwä-
chen durch den ständigen Druck eher gefördert als abgebaut.
Er begleitet den Prinzen an das Gymnasium in Hersfeld, denn
die Eltern erhofften sich von einem solchen Schulaufenthalt
unter Gleichaltrigen und Bürgerlichen, fern von den Reprä-
sentationspflichten am Hofe, eine gute Wirkung.
Für den jungen Kaiser war der Gedanke, erneut durch den
eisernen Willen eines alternden Mannes, des Reichs-
kanzlers von Bismarck, bevormundet zu werden, schon aus
diesen Gründen unerträglich. Er hatte erlebt, wie der Groß-
vater - zu beiden Großeltern bestand ein herzliches Verhält-
nis - sich den Wünschen des Kanzlers hatte beugen müssen:
"Es ist nicht leicht, unter einem solchen Kanzler Kaiser zu sein",
hatte Wilhelm I. einmal resignierend bemerkt. Auch wenn
Wilhelm II. Bismarck bewundert und verehrt hatte, solange er
selbst noch Kronprinz war, empfand er es als Kaiser des mäch-
tigen und angesehenen Deutschen Reichs als seine oberste
Pflicht, jetzt selbst die Zügel in die Hand zu nehmen und den
Eintritt eines neuen Zeitalters deutlich sichtbar zu markieren.
Sein Interesse an sozialpolitischen Fragen hatte schon Dr. Hinz-
peter geweckt durch Besuche in Arbeiterwohnungen. Das 1878
erlassene 'Sozialistengesetz', mit dem die Sozialdemokratie
zerschlagen werden sollte, wurde aufgehoben: ein vielverspre-
chender Anfang, der dem jungen Monarchen viel Sympathien
eintrug.
Bismarcks Entlassung war die erste große Kraftprobe. Der Kaiser
war in vollem Recht, denn der Kanzler hatte seine Weisung, in
Zukunft alle Verfügungen und Anweisungen zunächst ihm selbst
vorzulegen, unbeantwortet gelassen. Bismarck hatte seine Posi-
tion als "Schattenkaiser" so ausgebaut, daß sie kaum ein anderer
hätte ausfüllen können, so daß es nicht ungerechtfertigt war,
jetzt die Position erneut zu festigen. In dieser Hinsicht war
Wilhelm II. Bismarcks gelehriger Schüler, der dynastische Gedan-
ken, und der Erhalt der europäischen Monarchien durch die
Koordinierung der Interessen im innenpolitischen Bereich, lagen
seinem politischen Verständnis zugrunde. Er wußte sehr wohl,
daß die preußischen Monarchen in den märkischen oder meck-
lenburgischen Junkern nicht nur loyale Vasallen hatten. Ihre
Devise: "Wir waren vor den Hohenzollern da !" klang auch unter-
schwellig in der Entrüstung an, mit der Bismarcks Verabschiedung
aufgenommen wurde.
Wilhelm II., dem allgemein eine rasche Auffassungsgabe bezeugt
wurde, mangelte es aber an einer klugen und maßvollen Durch-
setzungsfähigkeit. Systematisches Einarbeiten in die Staats-
geschäfte durch Aktenstudium gehörte zu den "Lehrjahren"
jedes Kronprinzen - aber gerade diesen Aufgaben hatte er sich
gern entzogen. Statt dessen widmete er sich nunmehr dem Aus-
bau der Stellung Deutschlands als Weltmacht, vor allem durch
die kostspielige und von England als Provokation aufgefaßte
Flottenpolitik. Der Gedanke, nicht nur als Landmacht, sondern
auch als Seemacht Weltgeltung beanspruchen zu können, wurde
von der Marine, vor allem von Admiral von Tirpitz, eifrig gefördert
und führte zur nationalen Euphorie.
Erst 1914 begann Wilhelm II. zu ahnen, daß eine Politik der ver-
balen Entgleisungen und unbesonnenen Kraftakte das Reich iso-
liert hatte. Das von Bismarck aufgebaute Bündnissystem war
zerfallen, nur Österreich erinnerte nun an die eingegangenen
Verpflichtungen, seine Vormachtstellung auf dem Balkan zu
stützen. Die Bemühungen des Kaisers, Zar Nikolaus II. durch
die Beschwörung der freundschaftlich-verwandtschaftlichen
Beziehung zur Rettung des Friedens zu bewegen, (später bekannt
geworden als 'Willy-Nicky-Korrespondenz'), zeigten nicht nur eine
Hilflosigkeit, sondern auch die Folgen seines Selbstverständnisses
als autokratischer Monarch. Alle bisherigen Krisen, die dem Kaiser
mehrfach scharfen Tadel in der deutschen Öffentlichkeit und von
Seiten der Parteien eingetragen hatten, waren in letzter Minute
friedlich beigelegt worden (Krüger-Depesche, Rede zum Boxer-
Aufstand in China, Daily-Telegraph-Affäre), so daß der Kaiser
auch im Juli 1914 noch glaubte, die Gefahr eines großen Krieges
sei gebannt.
Umso härter traf ihn dann der Vorwurf, er habe diesen Krieg ge-
wollt und heraufbeschworen durch Aufrüstung, eine aggressive
Außenpolitik und die Förderung eines exzessiven Militarismus.
Wenn auch die Großmächte sich an dem Rüstungswettlauf in
gleichem Maße beteiligt, nationales Interesse und imperialisti-
sche Ziele gleichgesetzt hatten: die moralische Schuld wurde ein-
stimmig dem deutschen Kaiser zugewiesen. Der Kaiser selbst
hatte während des Kriegs auf seine bis dahin so hartnäckig be-
haupteten Führungsposition weitgehend zugunsten der Obers-
ten Heeresleitung (OHL) verzichtet. Sie diktierte die harten
Friedensbedingungen im Frieden von Brest-Litowsk (3. März
1918), nach der russischen Oktoberrevolution. Die baltischen
Provinzen, Polen, die Ukraine, Georgien und armenisches Terri-
torium sollten unabhängig werden, für das geschwächte Ruß-
land ein immenser wirtschaftlicher Verlust. Nur ein halbes Jahr
später, als die OHL von der Reichsregierung die Aufnahme sofor-
tiger Waffenstillstandsverhandlungen verlangte, folgte die Quit-
tung. Nunmehr war es Deutschland, das sich in einer ausweg-
losen Situation befand und einen Diktatfrieden akzeptieren
mußte. Der Rücktritt des Kaisers gehörte zu den ersten Bedin-
gungen.
Damit hatte die lang schwelende innenpolitische Krise ihren
Höhepunkt erreicht. Die längst überfällige Wahlreform, mit
einer ihrer zahlenmäßigen Stärke entsprechenden Repräsen-
tation der Parteien im Reichstag, und ihre Beteiligung an der
Reichsregierung, auf der Grundlage einer demokratischen Ver-
fassung, hing nur noch von der Zustimmung des Kaisers ab.
Wilhelm II. dagegen verkannte nicht nur die gärende Unruhe
in der Bevölkerung, er hielt auch verzweifelt an seiner Über-
zeugung von der letztlich unerschütterlichen Loyalität von
Heer und Marine fest. Er schlug vor, sich selbst an die Spitze
seiner Truppen zu setzen, reiste hin und her, während in
Berlin stündlich Depeschen eintrafen, die seine Stellungnahme
und Entscheidung verlangten. Der am 3. Oktober als neuer
Reichskanzler eingesetzte Prinz Max von Baden, seit langem
bekannt als Vertreter eines liberalen Konstitutionalismus, hatte
eine neue Regierung gebildet, unter Einschluß der Sozialdemo-
kraten. Sie standen unter dem Druck der überall ausbrechenden
Unruhen, der Forderungen der Arbeiter- und Soldatenräte.
Doch die täglich erwartete Rücktrittserklärung des Kaisers blieb
aus, Wilhelm II. klammerte sich an seine historisch begründeten
Vorstellungen von den Aufgaben des Kaisertums. Wie konnte
er, in der Stunde der höchsten Gefahr, das Vaterland verlassen ?
Das war für ihn Feigheit vor dem Feind und Verrat an den von
ihm oft betonten Pflichten der Herrschers.
So blieb dem Reichskanzler nichts weiter übrig, als den Rücktritt
noch vor Eintreffen der Depesche aus Spa, wo sich der Kaiser
mit dem OHL aufhielt, bekanntzugeben (9. November 1918).
Alle Berichte aus diesen dramatischen Wochen deuten darauf,
daß das Zögern des Kaisers die inneren Gegensätze bedeutend
zuspitzte. Das Bemühen der gemäßigten Kräfte, eine Revolution
zu verhindern und damit das Land vor einer Besetzung durch
die Sieger zu bewahren, wurde von Wilhelm II. nicht wirklich
erkannt: Auch sein Großvater hatte als junger Prinz die Flucht
mit dem Königspaar antreten müssen, vor den nach Berlin
einrückenden Truppen Napoleons. Das deutsche Volk hatte sich
aber hinter seinen Monarchen gestellt und schließlich den
Sieger geschlagen. Diese historische Erinnerung an die Über-
legenheit eines emotionalen Treueverhältnisses gegenüber
dem westlich-demokratischen, rationalen Prinzip der Volks-
souveränität war auch, so glaubte Wilhelm II., noch in der
Bevölkerung lebendig. Sie gehörte aber inzwischen längst nur
noch zum Gedankengut eines Teils des Offizierskorps, das nach
1918 daran anzuknüpfen suchte.
Mit dem Exilangebot der holländischen Regierung in Schloß
Doorn begann das letzte Drittel im Leben des einstigen deut-
schen Monarchen. Er widmete sich der Abfassung seiner Erin-
nerungen und verzichtete auf jede weitere Einmischung in
die deutsche Politik. Der Erkenntnis des eigenen Versagens
ging er bei der Aufarbeitung der politischen Vergangenheit
nicht mehr aus dem Wege. Auch die Fehleinschätzungen
seiner früheren Berater entlasten ihn nicht. Er hatte sein
eigenes Urteilsvermögen überschätzt, leichtfertig ein großes
Erbe verspielt und zerstörerische Kräfte freigesetzt, die schließ-
in die Diktatur führten. Eine rechtzeitige, schrittweise Demo-
kratisierung hätte den Wirkungsradius eben dieser Kräfte ein-
geschränkt.
Der rechts- und sozialstaatliche Gedanke war in der wilhelmi-
nischen Monarchie nicht weniger verankert als etwa in der
englischen. Partizipation und Repräsentation blieben dagegen
auf eine Minderheit beschränkt, die das Gruppeninteresse
mit dem Wohl des Ganzen gleichsetzte. Mit den daraus resul-
tierenden Gefahren hatten sich zwar auch die westlichen
Nachbarn Deutschlands auseinanderzusetzen. Das soziale
Elend der englischen Arbeiterschaft war um die Jahrhundert-
wende ein zentrales Thema in der innenpolitischen Diskus-
sion, und der Widerstand gegen die drückenden Lasten des
Empire richtete sich ebenso gegen seine politische Zweck-
mäßigkeit, wie die ungleiche Verteilung des aus ihm stam-
menden Reichtums.
In dem von der Romantik herrührenden Reichsgedanken
Wilhelms II. war die Austragung innenpolitischer Gegensätze
jedoch negativ besetzt, soweit sie die aktive Beteiligung von
Parteien am Entscheidungsprozeß bedeutete. Das Erlebnis
der deutschen Einheit hatte auch in großen Bevölkerungs-
teilen die naive Überzeugung geschaffen, soziale Gegensätze
würden sich in ihr allmählich von selbst lösen, und das Ver-
trauen in die Monarchie gestärkt. Der vielzitierte Satz
Wilhelms II., "ich führe euch herrlichen Zeiten entgegen",
stieß aber vielfach auf eine skeptische Reaktion. Sie konnte
sich jedoch nur publizistisch niederschlagen, im politischen
Entscheidungsprozeß blieb sie unberücksichtigt.
Quelle: Das Parlament Nr. 24 / 7. Juni 1991.
Marianne Doerfel zum 50. Todestag von Kaiser Wilhelm II.
'Zwischen Weltmachtstreben und Versagen.'
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Deutsches Reich: Kaiserreich (1871-1918).
18. Januar 1871: Kaiserproklamation in Versailles.
18. Januar 1871: Kaiserproklamation in Versailles.
In fremdem Land, in Versailles und im Prunkschloß Ludwigs XIV.
ist die deutsche Einheit mit der Kaiserproklamation vor hundert
Jahren vollendet worden, an jenem 18. Januar, den der König
und der Kronprinz von Preußen im Einvernehmen mit Bismarck
für die Feierlichkeit festgesetzt hatten, weil er auch der Gedenk-
tag der Krönung des ersten Preußenkönigs im ostpreußischen
Königsberg im Jahre 1701 war.
In fremdem Land, in Versailles und im Prunkschloß Ludwigs XIV.
ist die deutsche Einheit mit der Kaiserproklamation vor hundert
Jahren vollendet worden, an jenem 18. Januar, den der König
und der Kronprinz von Preußen im Einvernehmen mit Bismarck
für die Feierlichkeit festgesetzt hatten, weil er auch der Gedenk-
tag der Krönung des ersten Preußenkönigs im ostpreußischen
Königsberg im Jahre 1701 war.
Deutsches Reich: Kaiserreich (1871-1918).
Das Kaiserreich.
Das Deutsche Reich war eine konstitutionelle Monarchie und mit
41 Millionen Menschen im Jahr der Reichsgründung 1871 der
bevölkerungsreichste Staat in Mitteleuropa. 1914 lebten bereits
68 Millionen Menschen in Deutschland, das sich zur größten
Industrienation Europas entwickelt hatte.
Das 'Bismarckreich' 1871 bis 1890.
Ausgehend von der Überzeugung, Frankreich werde den Verlust
von Elsass-Lothringen nie akzeptieren und stets bestrebt sein, das
1871 an Deutschland verlorene Gebiet mit allen Mitteln zurück
zu gewinnen, knüpfte Bismarck ein Bündnissystem mit Beistands-
und Neutralitätsabkommen. Jedoch suchte Deutschland keine
Aussöhnung mit Frankreich, das immer nach einer Revanche für
die Niederlage von 1870/71 trachtete.
Als ernste Bedrohung für die preußisch-protestantisch geprägte
Monarchie empfand Bismarck den politischen Katholizismus,
dessen Einfluß er im „Kulturkampf“ vergeblich auszuschalten ver-
suchte. Die größte Gefahr für das von konservativen Eliten getra-
gene gesellschaftspolitische System sah Bismarck aber in der er-
starkenden Arbeiterbewegung. Mit repressiven Maßnahmen be-
kämpfte der Staat die Sozialdemokratie, deren Strukturen jedoch
mit dem von 1878 bis 1890 gültigen „Sozialistengesetz“ nicht zer-
schlagen werden konnten. Zugleich wollte Bismarck die Arbeiter
mit einer fortschrittlichen Sozialgesetzgebung an den Staat binden.
Die 'Wilhelminische Ära' 1890 bis 1914.
Wilhelm II. war ein entschiedener Gegner des Parlamentarismus.
Die von Liberalen und Sozialdemokraten geforderte Einführung
einer parlamentarischen Regierungsform war unter ihm nicht
durchsetzbar. Im Reichstag blieb eine seit 1871 bestehende Fünf-
Parteien-Konstellation vorherrschend. Gegenüber dem katholischen
Zentrum, den Konservativen sowie den Links- und Nationalliberalen
konnten die Sozialdemokraten auch in der "Wilhelminischen Ära"
erhebliche Stimmenzuwächse verzeichnen und stellten 1912 erst-
mals die stärkste Reichstagsfraktion. Die Bedeutung der organisier-
ten Arbeiterbewegung wuchs mit der fortschreitenden Industrie-
entwicklung des Reiches. Von 1871 bis 1914 versechsfachte Deutsch-
land seine industrielle Produktion und überflügelte damit Groß-
britannien.
Großstädte hatten durch den Aufschwung der Wirtschaft Massen
von Zuwanderern angelockt, die häufig in Mietskasernen unter
beengten und unhygienischen Bedingungen ein zumeist tristes
Leben führten. In krassem Kontrast dazu standen die Prachtbauten
und die luxuriöse Repräsentation erfolgreicher Unternehmer und
Bankiers, die auch politisch an Einfluß gewannen. Diese aufstre-
bende Schicht des Großbürgertums konkurrierte in ihrer Selbst-
darstellung mit dem Adel, der seine gesellschaftliche Leitfunktion
noch behaupten konnte.
Insgesamt zeigte sich das deutsche Kaiserreich unter Wilhelm II. so
widerspruchsvoll wie der Monarch selbst: Deutschland schwankte
zwischen den Extremen einer überaus dynamischen Modernisierung
und dem strikten Beharren auf längst unzeitgemäßen Traditionen.
Vor allem in Preußen, dem mit Abstand wirtschaftlich stärksten und
bevölkerungsreichsten Land, prallten industrieller Fortschritt und
konservative Agrarstrukturen hart aufeinander.
Das Ausland erblickte im Deutschen Reich – und hier vor allem in
Preußen – eine bedrohliche Hochburg von Reaktion und Militarismus,
dessen aggressives imperiales Machtstreben die zu einer Triple-Entente
zusammengeschlossenen Großmächte Rußland, Frankreich und Groß-
britannien einzuschränken suchten. Deutschland wiederum sah sich
am Vorabend des Ersten Weltkrieges von Feinden „eingekreist", die
seinen weltpolitischen Aufstieg verhindern wollten.
Nur auf das enge Bündnis mit Österreich-Ungarn war am Vorabend
des Ersten Weltkriegs 1914 noch Verlaß. Die militärische Niederlage
Deutschlands besiegelte auch das Endes des Kaiserreichs.
Quelle: Arnulf Scriba in Lemo, Lebendiges Museum Online.
Das Deutsche Reich war eine konstitutionelle Monarchie und mit
41 Millionen Menschen im Jahr der Reichsgründung 1871 der
bevölkerungsreichste Staat in Mitteleuropa. 1914 lebten bereits
68 Millionen Menschen in Deutschland, das sich zur größten
Industrienation Europas entwickelt hatte.
Das 'Bismarckreich' 1871 bis 1890.
Ausgehend von der Überzeugung, Frankreich werde den Verlust
von Elsass-Lothringen nie akzeptieren und stets bestrebt sein, das
1871 an Deutschland verlorene Gebiet mit allen Mitteln zurück
zu gewinnen, knüpfte Bismarck ein Bündnissystem mit Beistands-
und Neutralitätsabkommen. Jedoch suchte Deutschland keine
Aussöhnung mit Frankreich, das immer nach einer Revanche für
die Niederlage von 1870/71 trachtete.
Als ernste Bedrohung für die preußisch-protestantisch geprägte
Monarchie empfand Bismarck den politischen Katholizismus,
dessen Einfluß er im „Kulturkampf“ vergeblich auszuschalten ver-
suchte. Die größte Gefahr für das von konservativen Eliten getra-
gene gesellschaftspolitische System sah Bismarck aber in der er-
starkenden Arbeiterbewegung. Mit repressiven Maßnahmen be-
kämpfte der Staat die Sozialdemokratie, deren Strukturen jedoch
mit dem von 1878 bis 1890 gültigen „Sozialistengesetz“ nicht zer-
schlagen werden konnten. Zugleich wollte Bismarck die Arbeiter
mit einer fortschrittlichen Sozialgesetzgebung an den Staat binden.
Die 'Wilhelminische Ära' 1890 bis 1914.
Wilhelm II. war ein entschiedener Gegner des Parlamentarismus.
Die von Liberalen und Sozialdemokraten geforderte Einführung
einer parlamentarischen Regierungsform war unter ihm nicht
durchsetzbar. Im Reichstag blieb eine seit 1871 bestehende Fünf-
Parteien-Konstellation vorherrschend. Gegenüber dem katholischen
Zentrum, den Konservativen sowie den Links- und Nationalliberalen
konnten die Sozialdemokraten auch in der "Wilhelminischen Ära"
erhebliche Stimmenzuwächse verzeichnen und stellten 1912 erst-
mals die stärkste Reichstagsfraktion. Die Bedeutung der organisier-
ten Arbeiterbewegung wuchs mit der fortschreitenden Industrie-
entwicklung des Reiches. Von 1871 bis 1914 versechsfachte Deutsch-
land seine industrielle Produktion und überflügelte damit Groß-
britannien.
Großstädte hatten durch den Aufschwung der Wirtschaft Massen
von Zuwanderern angelockt, die häufig in Mietskasernen unter
beengten und unhygienischen Bedingungen ein zumeist tristes
Leben führten. In krassem Kontrast dazu standen die Prachtbauten
und die luxuriöse Repräsentation erfolgreicher Unternehmer und
Bankiers, die auch politisch an Einfluß gewannen. Diese aufstre-
bende Schicht des Großbürgertums konkurrierte in ihrer Selbst-
darstellung mit dem Adel, der seine gesellschaftliche Leitfunktion
noch behaupten konnte.
Insgesamt zeigte sich das deutsche Kaiserreich unter Wilhelm II. so
widerspruchsvoll wie der Monarch selbst: Deutschland schwankte
zwischen den Extremen einer überaus dynamischen Modernisierung
und dem strikten Beharren auf längst unzeitgemäßen Traditionen.
Vor allem in Preußen, dem mit Abstand wirtschaftlich stärksten und
bevölkerungsreichsten Land, prallten industrieller Fortschritt und
konservative Agrarstrukturen hart aufeinander.
Das Ausland erblickte im Deutschen Reich – und hier vor allem in
Preußen – eine bedrohliche Hochburg von Reaktion und Militarismus,
dessen aggressives imperiales Machtstreben die zu einer Triple-Entente
zusammengeschlossenen Großmächte Rußland, Frankreich und Groß-
britannien einzuschränken suchten. Deutschland wiederum sah sich
am Vorabend des Ersten Weltkrieges von Feinden „eingekreist", die
seinen weltpolitischen Aufstieg verhindern wollten.
Nur auf das enge Bündnis mit Österreich-Ungarn war am Vorabend
des Ersten Weltkriegs 1914 noch Verlaß. Die militärische Niederlage
Deutschlands besiegelte auch das Endes des Kaiserreichs.
Quelle: Arnulf Scriba in Lemo, Lebendiges Museum Online.