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Ende des Besatzungsregims steht bevor.
Londoner Neun-Mächte-Konferenz erfolgreich –
Deutsche Wiederaufrüstung mit 500.000 Mann.
Einen Monat und vier Tage nach dem Scheitern der EVG ist in London nach
fünftägigen, sehr bewegten Verhandlungen ein neues westliches Verteidi-
gungssystem von den neun Außenministern der Westmächte einschließlich
Dr. Adenauers entworfen und angenommen worden.
Die Beschlüsse lassen sich in sieben Punkten zusammenfassen:
1. Großbritannien, Frankreich und die Vereinigten Staaten werden der
Bundesrepublik die Souveränität verleihen.
2. Die Bundesrepublik und Italien werden dem Brüsseler Verteidigungspakt
(dem bisher Großbritannien, Frankreich und die Beneluxstaaten angehörten)
beitreten. Die sieben Vertragspartner setzen das maximale Rüstungspotential
der einzelnen Mitglieder fest.
3. Die Bundesrepublik verpflichtet sich, keine Atomwaffen, chemische oder
bakteriologische Kampfmittel herzustellen.
4. Amerikanische Truppen werden in Europa belassen.
5. Großbritannien stationiert vier Divisionen (rund 100.000 Mann) und
Luftwaffendivisionen für unbegrenzte Zeit auf dem europäischen Festland.
6. Die Bundesrepublik wird als gleichberechtigter Partner in die NATO
aufgenommen.
7. Die Bundesrepublik verpflichtet sich, zur Herbeiführung der deutschen
Wiedervereinigung oder zur Änderung der jetzigen Grenzen niemals Gewalt
anzuwenden.
Mit Recht betonte Außenminister Eden, daß man in London für die Zukunft
Europas Wesentliches geleistet habe. Der französische Ministerpräsident
Mendés-France erklärte, daß das Londoner Abkommen gute Aussichten habe,
von der französischen Nationalversammlung, die bekanntlich die EVG schroff
abgelehnt hat, ratifiziert zu werden. Er werde sich mit allem Nachdruck für
die Ratifizierung einsetzen.
In den nächsten zwei Wochen werden die Sachverständigen der neun Mächte
die Klärung der noch offenstehenden rechtlichen und technischen Fragen an-
streben. Am 20. Oktober werden die Außenminister der drei Westmächte und
der Bundesrepublik in Paris endgültige Beschlüsse über die Beendigung der
Besatzung und die volle Souveränität Deutschlands treffen. Am 21. Oktober
werden die Außenminister aller neun Mächte in Paris die abschließenden
Entscheidungen über die deutsche Wiederbewaffnung fallen. Am 22. Oktober
wird der Ministerrat der Atlantikpakt-Organisationen die Aufnahme der
Bundesrepublik in die NATO beschließen. Den einzelnen Parlamenten werden
die Abmachungen alsdann zur Ratifizierung vorgelegt. Die Abmachungen
können, sofern keine unerwarteten Hindernisse auftauchen, im Frühjahr
1955 in Kraft treten.
Die USA und Großbritannien würden am 1. Januar 1955 in ihren Zonen auf
ihre Besatzungsrechte verzichten und die Wiederbewaffnung Deutschlands
in ihren Zonen einleiten, falls Paris wider Erwarten erneut eine Verzögerungs-
taktik einschlagen würde. Der Bundesrepublik wird ein Sitz der alliierten
Sicherheitsamt in Koblenz eingeräumt. Nach Aufhebung des Besatzungs-
statuts soll diese Behörde zur Wahrung aller alliierten Interessen weiter
arbeiten.
Bundeskanzler Dr. Adenauer betonte das wichtigste Ergebnis der Londoner
Konferenz sei die Wiederherstellung und Festigung der Solidarität der freien
Welt. Gegenüber der gescheiterten EVG hat die Londoner Akte einen Nachteil
und einen Vorteil. Der Nachteil ist darin zu suchen, daß die Ersatzlösung
eine Koalition der neun Nationalarmeen darstellt, während die EVG die
europäischen Heere, Rüstungsfabriken, Generalstäbe usw. untrennbar mit-
einander verbinden sollte. Der Vorzug der Londoner Akte gegenüber der
EVG ist darin zu suchen, daß dem europäischen Waffenbündnis nun auch
Großbritannien angehört, wodurch die französische Angst, mit den Deutschen
allein zu sein, wegfallen dürfte.
Nach wie vor bejahen Großbritannien und USA die Bonner Politik, die dahin
zielt, den Eisernen Vorhang zu beseitigen und die beiden Deutschländer
wieder zusammenzufügen. Vieles spricht dafür, daß nun auch Moskau ein-
sehen müßte, daß die Absicht des roten Kreml, die USA aus der europäischen
Vertragsorganisation auszugliedern und Amerika und die Bundesrepublik in
eine neue Isolationspolitik hineinzudrängen, durchkreuzt ist. Ebenso ist der
Plan Molotows, den deutschfranzösischen Gegensatz zu verewigen, mißglückt.
Wir können hoffen, daß Moskau aus der neuen Lage die notwendige Nutz-
anwendung ziehen wird, ebenso wie es sich einverstanden erklärt hat, der
zunächst vom Kreml abgelehnten Achtung von Atomwaffen usw. zuzustimmen.
Die Anerkennung der deutschen Bundesregierung als der einzig berechtigten
Vertreterin des deutschen Volkes war zugleich mit der Hervorhebung der
vollen Souveränität nach innen und außen die markanteste Feststellung in der
Regierungserklärung des Bundeskanzlers Dr. Adenauer vor dem Deutschen
Bundestag. Die Zusammenarbeit als Folge der Londoner Abmachungen werde
die freie Welt stärken; ohne diese Einheit des Westens gebe es keine Freiheit,
keinen Frieden und keine deutsche Wiedervereinigung.
Besonderen Beifall zollte der Deutsche Bundestag dem, wie der Bundeskanzler
hervorhob, "revolutionären Akt" der britischen Regierung, britische Truppen
weiterhin auf dem Festland zu stationieren. Auch der Hinweis, daß die Bundes-
republik alle notwendigen Waffen erzeugen sowie Flugzeuge und Schiffe bauen
können, fand einmütigen Beifall.
In den Kreisen der Vertriebenen-Abgeordneten wurden die Stellen der
Regierungserklärung genau verfolgt, die sich auf den künftigen Friedens-
vertrag und die deutschen Grenzen bezogen.
Daß der Westen diese Grenzen jetzt einmütig dem Friedensvertrag vorbehält,
ist sicherlich als ein Fortschritt zu bezeichnen, obwohl ein ausdrücklicher
Hinweis auf die deutschen Ostgebiete und die Hilfe des Westens bei der
Durchsetzung des Heimatrechts der deutschen Vertriebenen nicht erfolgte.
Quelle: OSTPREUSSEN-WARTE, Oktober 1954
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Ergänzende WIKIPEDIA-Hinweise:
Die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) von 1952 sollte eine europä-
ische Armee schaffen und damit auch eine weitere westeuropäische Einigung
fördern. Frankreich, die Benelux-Staaten, Italien und die Bundesrepublik Deutsch-
land wären daran beteiligt gewesen; letztere war auch deshalb daran interessiert,
weil auf diese Weise Wiederbewaffnung und das Ende des Besatzungsstatuts
gleichzeitig erfolgt wären. Das Projekt scheiterte 1954, als es im französischen
Parlament keine Mehrheit erhielt. Im Jahr darauf wurde die westdeutsche
Wiederbewaffnung statt durch eine EVG durch den NATO-Beitritt der Bundes-
republik ermöglicht.
Quelle:
https://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4ische_Verteidigungsgemeinschaft
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Länder und Besatzungszonen Deutschlands:
dag-bilder/germany-map-occupation-areas.jpg
http://sommerfeldfamilien.net/sommerfeldbilder/deutschland/besatzungszonen.jpg
dag-bilder/besatzungszonen1951.jpg
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Beendigung der Besatzung. Wiederbewaffnung Deutschlands.
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