Die Gewerkschaften in der französischen Zone.

Kriegsrecht der Besatzungsmächte behinderten politische Arbeit.
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Die Gewerkschaften in der französischen Zone.

Beitragvon -sd- » 14.05.2012, 16:55

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Die französische Besatzungsmacht setzt das erste offizielle Signal zur Wiederherstellung der Gewerkschaftsrechte
am 10. September 1945. Die gewerkschaftlichen Aktivitäten beginnen auch hier bereits früher: Ab 30. August 1945
erscheint in Koblenz das offizielle Mitgliedsorgan 'Gewerkschaftseinheit'. Örtliche Gewerkschaften entstehen im
November und Dezember 1945; offiziell genehmigt werden sie erst im April 1946.

Seit dem 1. September 1946 existiert in Südbaden eine Landesvereinigung der Angestellten und der Freien Berufe,
die zeitweilig 21 selbständige Einzelgewerkschaften umfaßt. Ihr Vorsitzender ist Otto Schneider (*1876 / +1950.
SPD. Ab 1919 Funktionen im ZdA). Sie gehört zu den Mitbegründern der vereinigten DAG in Bad Cannstatt.

Der Badische Gewerkschaftsbund (BG) wird Anfang März 1947 in Freiburg im Breisgau gegründet; Vorsitzender des
Vorstands ist Wilhelm Reibel (*1897 / +1963. Schriftsetzer. SPD. Ab 1915 gewerkschaftliche Arbeit, Funktionen ab
1923. Während der NS-Zeit mehrfach inhaftiert). Er wird 1950 stellvertretender Vorsitzender, ab 1960 Vorsitzender
des Landesbezirks Baden-Württemberg des DGB. Fünf Beisitzer des Vorstands gehören der KPD, drei der CDU und
neun der SPD an, unter ihnen Paul Thomas (*1903 / +1977. Versicherungskaufmann. Ab 1920 ZdA, hauptamtlich ab
1923). Er wird im Juni 1948 Vorsitzender der Landesvereinigung der Angestellten und Freien Berufe im Badischen
Gewerkschaftsbund
(BG), ab 1949 Mitglied in dessen erweiterten Bundesvostand.

Paul Thomas ist vom 1. Januar 1950 bis 1968 Landesverbandsleiter der DAG in Südbaden.

Am 5. Oktober 1946 beschließt eine Gewerkschaftskonferenz in Tuttlingen die Gründung von dreizehn Landesberufs-
gewerkschaften für Südwürttemberg-Hohenzollern, unter ihnen eine der Angestellten in Industrie, Handel und Hand-
werk. Ihr Vorsitzender ist Johannes Hengstler (*1888 / + 1965. SPD. Feinmechaniker, Instumentenbauer. Vor 1933
Funktionen im DMV. 1933 inhaftiert. 1945 Mitbegünder der Vereinigten Gewerkschaft in Tuttlingen). Er wird 1947
Vorsitzender der Landesberufsgewerkschaft, dann des Angestelltenverbands des Landes, nach 1945 ist er auch im
Gemeinderat in Tuttlingen. Es gibt in diesem Bund auch noch eine Landesberufsgewerkschaft für Angestellte und
Beamte der öffentlichen und kommunalen Betriebe, Vorsitz Hermann Fritz (*1897 / +1961. SPD). Er gehört ab 1950
dem Hauptvorstand der ÖTV an. Vorsitzender des Gewerkschaftsbunds Südwürttemberg-Hohenzollern ist Fritz Fleck
(*1890 / +1966. SPD. Ab 1908 Mitglied, ab 1920 Funktionen im Deutschen Metallarbeiterverband. 1933 und 1944
verhaftet, KZ. 1946-1947 Beauftragter der französischen Militärregierung zur Gewerkschaftsgründung). Er leitet ab
1950 Gliederungen des DGB in Südwestdeutschland.

Als letzte in der französischen Besatzungszone gründet sich am 2. und 3. Mai 1947 in Mainz der Allgemeine Gewerk-
schaftsbund Rheinland-Pfalz mit einer Landesgewerkschaft HBV
. Hier werden die Angestellten von vornherein nicht
aus allen Branchen und Berufen in einer Gewerkschaft zusammengeführt. Der späte Zeitpunkt erklärt sich vor allem
daraus, daß das Land Rheinland-Pfalz erst durch Verordnung No. 57 der französischen Militärregierung am 30. August
1946 geschaffen wird.

Insgesamt verhalten sich die Gewerkschaften den Besatzungsbehörden gegenüber keinesweg preußisch korrekt:
Versammlungen werden unangemeldet abgehalten; Organisationen ohne entsprechende Lizenz erheben Beiträge.
Gelegentlich führt das zu Konflikten, häufiger fördern die örtlichen Besatzungsoffiziere ihre Gewerkschaft und igno-
rieren Übertretungen.

Aus
'Die Angestellten und ihre Gewerkschaft: Stationen einer bewegten Geschichte'
von Gerhard Halberstadt.
1991. Rudolf Haufe Verlag, Freiburg i. Br. ISBN 3-448-02548-8


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