Hans Gerhard Ramler ?

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Hans Gerhard Ramler ?

Beitragvon -sd- » 18.03.2010, 19:09

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Hans Gerhard Ramler 70 Jahre
- zugleich ein Rückblick auf 45 Jahre Berufsbildungspolitik in Schleswig-Holstein.


Am 13. Juli 1998 konnte Hans Gerhard Ramler seinen siebzigsten Geburtstag begehen.
Und weil die berufliche Bildung in seinem Leben einen herausragenden Stellenwert - bis heute -
besitzt, soll dieses Ereignis auch in einer Verbandszeitschrift der Berufsschullehrer gewürdigt
werden, obwohl dem Jubilar, als langjährigem (hauptamtlichen) Funktionär der Deutschen
Angestellten-Gewerkschaft (DAG) die Lehrlinge - naturgemäß - näherstanden als ihre Lehrer.
Aber da, wo wir gemeinsame Ansatzpunkte hatten, bei der Ausbildung und der Verbesserung
der Ausbildung der Lehrlinge, hatten wir in Hans Gerhard Ramler einen überaus kompetenten
und konsequenten Mitstreiter.

DAG-Funktionär 1951 - 1989.

Ramler ist geborener Kieler. Nach dem Besuch der Mittelschule erlernte er den Drogistenberuf
(1946-1949) und ist heute noch stolz darauf, daß er z. B. auch die 'Giftprüfung' abgelegt hat.
Nach kurzer Berufszeit als Drogist war er von 1949-1951 Verwaltungsangestellter beim Arbeits-
amt und dort in der Berufsberatung tätig. Seit dem Jahre 1948 war er Mitglied der DAG, in deren
Dienste er 1951 als Gewerkschaftssekretär trat, zuerst (bis 1959) als Landesjugendleiter, dann
(bis 1974) wirkte er als Landesbildungssekretär und Referent für Organisation, Presse und
Werbung; seit dem Jahre 1974 war er nur noch 'Referent für berufliche Bildung'.

Schon in den ersten 20 Jahren seiner Tätigkeit als Gewerkschaftssekretär lag sein Arbeits-
schwerpunkt bei der beruflichen Bildung. So war er führend am Aufbau der Scheinfirmenarbeit
beteiligt, organisierte die Berufswettkämpfe in Schleswig-Holstein von 1949-1971 und war
Mitbegründer der Deutschen Angestellten-Akademie, die in Großhansdorf 'Staatlich geprüfte
Betriebswirte', einige Zeit sogar 'Betriebswirte (grad.)', ausbildete.

Viele seiner Forderungen deckten sich mit denen der Berufsschullehrerverbände, so die nach
dem Berufsbildungsgesetz (1952), nach Landesberufsschulen (1964), nach einem zweiten
Berufsschultag (1964) und die nach Aufwertung der Berufsschulzeugnisse (1973). Er kritisierte
schon 1964 den Lehrermangel an Berufsschulen und die Stufenausbildung im Einzelhandel
(1965), die er als 'Schmalspurausbildung' bezeichnete, worin ihm allerdings viele Berufsschul-
lehrer nicht unbedingt folgen können und wollen.

Viele Organisationen und Institutionen versicherten sich seines Rates und seiner Mitarbeit:
Er war Vorsitzender des Kieler Jugendrings und 2. Vorsitzender des Landesjugendrings, seit
1959 war er Mitglied des Landesschulbeirats, dessen Vorsitzender er von 1973 bis 1992 war,
und er arbeitete in der von Kultusminister von Heydebreck im Dezember 1965 berufenen
'Studienkommission für Fragen der Erwachsenenbildung in Schleswig-Holstein' mit, deren
Ergebnisse in Heft 20 der Schriftenreihe 'Gegenwartsfragen' veröffentlicht wurden. Nach
Verabschiedung des Berufsbildungsgesetzs (1970) war er Mitglied im Landesausschuß für
Berufsbildung und diversen weiteren Ausschüssen bei den 'zuständigen Stellen', teilweise
als Vorsitzender; seit 1974 amtiert er als Vorsitzender des Schlichtungssusschusses für
Ausbildungsstreitigkeiten bei der Zahnärztekammer Schleswig-Holstein.

Seit 1968 wirkte er auch als Referent für unsere Referendare in Naumburg. Heinz Ihlenfeld
hat dazu kürzlich folgendes ausgeführt: "Bis auf die DAG-Tagungsstätte in Naumburg bei
Kassel, die wir weiterhin jährlich mit ca. 40 Referendarinnen und Referendaren besuchten,
gaben wir alle anderen Tagungsstätten mit Fremdreferenten auf. In Naumburg bearbeiteten
wir mit Gewerkschaftsvertretern das Thema 'Berufsschule und Gewerkschaften - berufs-
bildungspolitische Aspekte'. Hier nun wiederum gab es Schwierigkeiten mit dem Dienstherrn,
der diese Tagungsstätte vorübergehend als Hochburg der linken Extremisten ansah. Herr
Ramler, er wirkte als DAG-Bildungssekretär über 25 Jahre als Referent während des Seminars
mit uns, war gleichzeitig berufspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, betätigte sich
ausgleichend und beruhigend."

SPD-Landtagsabgeordneter 1971-1987.

Am 25. April 1971 fanden in Schleswig-Holstein Landtagswahlen statt. Der Landesvorsitzende
der SPD in Schleswig-Holstein, Joachim Steffen, war der Ansicht, daß die Gewerkschaften
besser in der SPD-Landtagsfraktion vertreten sein sollten, und dachte dabei in erster Linie
an die Angestellten und ihre Gewerkschaft, die DAG, denn die DGB-Gewerkschaften waren
traditionell immer gut in der SPD-Landtagsfraktion vertreten. Daher nahm er mit seinem alten
Genossen, dem damaligen Landesverbandsleiter der DAG in Schleswig-Holstein, Fritz Ehlers,
Kontakt auf und bat ihn, einen geeigneten DAG-Mann zu benennen, den man dann über die
Landesliste der SPD in den Landtag bringen wolle. So kam man auf Hans Gerhard Ramler.
Steffen versprach Ehlers, daß er sich dafür einsetzen werde, daß der Kandidat der DAG vom
Landesvorstand der SPD auf den sicheren 13. Listenplatz gesetzt würde. Allerdings konnte
Ramler diesen Platz auf dem Nominierungsparteitag der SPD nicht halten, errang dort aller-
dings den noch immer sicheren Listenplatz 20 (bei den Landtagswahlen 1975 verbesserte
er sich auf Platz 16 der Landesliste) und zog nach den Wahlen in den Landtag ein. Interes-
sant an der Nominierung ist, daß sich beide, Joachim Steffen und Fritz Ehlers, auf den Kandi-
daten Ramler ohne Hinzuziehung der jeweiligen Landesvorstände geeinigt haben,
ein Verfahren, das nicht ganz ohne Kritik blieb.

Im Landtag machte die SPD-Fraktion ihn sogleich zum berufspolitischen Sprecher und ist
damit gut gefahren. Berufsbildungspolitik verfügt über keine allzu große Lobby im Landtag
und ist für die meisten Abgeordneten in ihrer Komplexität 'ein Buch mit sieben Siegeln',
und deshalb sind Männer wie Ramler (oder Frauen) für uns so wichtig. Ramler entfaltete
eifrige Aktivitäten im Landtag: 1974 stellte er '99 Fragen zur beruflichen Bildung' in einer
'Großen Anfrage' und forderte im gleichen Jahr Sofortmaßnahmen für Schulabgänger -
dies war ein Thema, das ihn durchgängig bis zum Ende seiner Landtagszeit in Anspruch
nahm. 1979 sprach er zur Neugestaltung der Oberstufe an Fachgymnasien und im Jahre
1980 zeigte er, daß er dem 'mainstream' der SPD auch zu trotzen bereit war, wenn es ihm
angezeigt erschien, als er nämlich den SPD-Entwurf für ein Bildungsurlaubsgesetz ablehnte.

Nach seinem Ausscheiden aus dem Landtag (1987) berief ihn die Ministerin Eva Rühmkorf
am 25.10.1988 zum 'Bevollmächtigten für vordringliche Fragen des beruflichen Schulwesens'
im Ministerium und sicherte sich damit seinen großen Sachverstand. Im Jahre 1993 schied
er aus dem Amt. Zum Teil paßte ihm wohl nicht der neue Zeitgeist: Ramler ist immer Praktiker
gewesen, mit 'Systemveränderern', speziell in der beruflichen Bildung, kann er nicht viel
anfangen. Mit den Ministerinnen Eva Rühmkorf und Marianne Tidick konnte er gut zusam-
menarbeiten und war sich mit ihnen einig, praxisorientierte Veränderungen anzustreben.
Bestimmte Personalentscheidungen der neuen Ministerpräsidentin Heide Simonis hat er
kritisiert und zur neuen Bildungsministerin Gisela Böhrk (seit April 1993), seiner langjähri-
gen Landtagskollegin (seit 1975, 8. Wahlperiode) fehlte ihm wohl auch 'der gute Draht'.
Als Landesschuldirektor Jacob Schäfer, Leiter der Abteilung Bildung im Ministerium, von
Ramlers Weggang hörte, bat auch er um seine Entlassung.

Ramler ist vielfach für seine Verdienste geehrt und gewürdigt worden.
Auch wir danken ihm für seinen lebenslangen Einsatz für die berufliche Bildung.

Wolfhard Nitschke

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Quelle: berufliche bildung aktuell, bbA 24 (1998) 3, BLBS Schleswig-Holstein

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