Fritz Mewes, Wegweiser der Jugend.

Menschen und Charaktere. Herausragende Persönlichkeiten der gewerkschaftlichen Angestelltenbewegung.
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Fritz Mewes, Wegweiser der Jugend.

Beitragvon -sd- » 28.02.2010, 16:33

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Wegweiser der Jugend.

Der ehemalige Jugendführer des früheren Gewerkschaftsbundes der Angestellten (G.D.A.),
Fritz Mewes, wird morgen - 25. November 1958 - 70 Jahre alt. Er ist einer der geistigen Väter
des Berufswettkampfes der Angestelltenjugend
.

Gestern schon bereitete der 'Laurenburger Kreis', eine Vereinigung ehemaliger Angehöriger
des GDA, dem Jubilar eine Feier im Patriotischen Gebäude.

Max Rössiger (Berlin), der frühere Chefideologe des Bundes, würdigte Mewes Verdienste
um die berufliche Weiterbildung der Jugend
und ihre Erziehung zur echten Selbsterkenntnis.

In der Wohnung des Jubilars, Poßmoorweg 63, werden morgen viele, denen Mewes einst
den Weg wies, gratulieren.

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Quelle: Hamburger Abendblatt Nr. 273, 24. November 1958.

Ergänzender Hinweis:
'Fritz Mewes - Der Mann und sein Werk.'
Festschrift zur Feier seines 70. Geburtstages
gewidmet von seinen Freunden im Laurenburger Kreis.

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Re: Fritz Mewes, Wegweiser der Jugend.

Beitragvon -sd- » 08.04.2020, 21:06

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Friedrich Mewes 'Zehn Jahre Jugendnot und Jugendringen'.

Als Deutschland vor zehn Jahren zusammenbrach, da fanden die heim-
kehrenden Väter ihre vierzehnjährigen Kinder blaß und schmal, dürftig
bekleidet, mit Holzsohlen beschuht. Die Schule war mangelhaft geworden,
sie konnte ihre alten Leistungen nicht aufrechterhalten. Die Kinder hörten
und sahen auch sonst nichts Gutes. Es gab viele Bestimmungen, um die
Lebensmittel und andere wichtige Dinge gleichmäßig zu verteilen, aber
es sah zuletzt jeder, daß diese Gesetze hundertfach umgangen wurden
und daß es nur denen einigermaßen gut ging, die gerissen und unge-
hemmt genug waren, ihre Sondervorteile auch auf unmoralischen Wegen
hereinzuholen. Krasse Gegensätze zeigten sich zwischen den hungernden
Braven und den bis zur Tollheit genießerischen Schiebern
. Über alle aber
brach allmählich der große Vergnügungshunger aus. Die Tanzwut zog in
das Land, dem Hunderttausende seiner Söhne eben im Felde gestorben
waren, und das über sein eignes Schicksal nichts mehr zu sagen hatte.
Wie das aber alles gekommen sei, wer die Schuld daran trage, wie wir
wieder zu besseren Tagen kämen; das alles war der Inhalt des gehässigen
Parteikampfes, der vor offener und heimlicher Bluttat nicht zurück-
scheute.

So war das Feld, das die schulentlassene Jugend betrat. Bald hagelte die
Kritik auf sie herab. Aus lauter Taugenichtsen sollte diese Jugend bestehen.
Wäre es so gewesen, wer hätte sie anklagen können ? In Wirklichkeit war
es ganz anders. Wohl gingen Tausende in diesen Zeitstrudeln unter und
wurden so, wie der Zeitgeist sie befruchtete, aber die große Zahl der
Jugendlichen, die führenden Geister unter den Jugendlichen drängten
ganz woanders hin.

In dieser Zeit der moralischen Erschlaffung entbrannte in der Jugend ein
verzehrendes Feuer der Hingabe an das Schicksal ihres Volkes. Aus der
Kriegszeit schon gewohnt, wurde die Bedürfnislosigkeit zum Ideal jugend-
lichen Lebens gemacht. Man hat damals gern spöttelnd das Wort "Edel-
Kommunismus" angewendet. In der Tat, so etwas lebte in allen Jugend-
bünden. Selbstentäußerung für die Gesamtheit wurde fast mit religiöser
Inbrunst angestrebt. Kein Egoismus sollte mehr zwischen den Menschen
und den Schichten des Volkes stehen
. Jede Arbeit sollte geheiligt sein
als Dienst für die Wohlfahrt des ganzen Volkes.

Aus den Zusammenkünften der Jugendbünde wurden die Rauschgifte ver-
bannt. Man wollte nicht das Geld in ausländischem Tabak verrauchen,
während es vielen Müttern an Geld für die Milch fehlte ! Man wollte den
harten Anforderungen des Alltags nicht ausweichen, indem man sich vom
Alkohol in Sorglosigkeit wiegen ließ. Man wollte sich in jeder Beziehung
in der Gewalt haben und keinen schwächlichen Neigungen nachgehen.
Man wollte die Hemmungen nicht herabmindern, die den Verkehr der
Geschlechter untereinander sauber hielt. Man richtete erbitterte An-
griffe gegen den Schund und den Schmutz in jeder Form. Vor allem galt
dem Kino, das damals durchweg recht schlimme Filme brachte, der Haß
der jungen Generation. Ganz im Stile jener Jahre wurden große Demon-
strationsversammlungen und Umzüge gegen den Schund in den Kinos ab-
gehalten.

Es war eine starke Leidenschaft in der Jugend jener Jahre, und stärker als
zu anderer Zeit betonte sie den alten Jugendstandpunkt: Alles oder nichts !
Das gesellige Leben der Jugend jener Zeit entwickelte sich bewußt im
Gegensatz zu den Gepflogenheiten der älteren Generation
. Alles Seichte
und Oberflächliche, alles Zynische und Zweideutige wurde verbannt,
und die Geselligkeit sollte sich allein stützen auf die Gaben des Geistes
und des Gemüts. Gegen die ältere Generation wurden heftige Vorwürfe
erhoben, daß sie nicht wie die Jugend alles Sinnen und Denken auf die
Erneuerung des deutschen Volkstums richte.

So sehen wir in jenen Jahren die Jugend einen fanatischen moralischen
Eifer entfalten. Ist es nicht eigentlich sonderbar, die Jugend in dieser
Rolle zu sehen, da man doch sonst gerade der Jugend gern leichte Sitten
nachsagt ? Aber hier wirken wohl größere Gesetze. Es bildet sich das
Gegengift, das die Zeit braucht. In diesem moralischen Eifer der Jugend
lag die stärkste Gegenwehr gegen die zerfressenden Kräfte der Zeit. Heut
mag der Eifer der Jugend in jenen Jahren leicht übertrieben erscheinen,
damals durfte er nicht schwächer sein, um die Jugend ungefährdet durch
diese gefährlichen Jahre zu führen. Ihr heiliger Missionseifer hat es ge-
schafft.

Das schlimmste Jahr war wohl 1923, als die Inflation wie ein wildes Meer
alle festen Ufer überschwemmte, die politischen Kräfte aufs neue zu
blutigen Auseinandersetzungen rüsteten und dann die Stabilisierung eine
gewaltige Arbeitslosigkeit mit sich brachte
. Auf den überbündischen
Tagungen spürte jeder noch deutlich den gemeinsamen Ausgangspunkt
dieser Jugend, aber um so ratloser klang die Frage: Was sollen wir nun
tun, wenn wir uns in einigen Wochen auf den Barrikaden als Gegner
treffen ? Erschütternd war dieses Suchen nach einem Ausweg aus dem
Konflikt zwischen Bruderschaft und Gegnerschaft. - Die Entwicklung er-
sparte der Jugend den Austrag dieser Konflikte in der letzten und blu-
tigsten Form. Eine allgemeine Beruhigung trat ein, aber mit der Stabi-
lisierung kam die große Arbeitslosigkeit. Die Vertreter der Ministerien
kamen zu den Jugendverbänden und fragten: Was machen wir bloß mit
den arbeitslosen Jugendlichen, um sie von der Straße wegzubringen ?
Auch diese Krisis wurde überwunden, aber ganz sicher hat die Arbeit
der Jugendbünde ein gutes Teil Verdienst daran. Wenn diese Verbände
auch lange nicht alle Jugendlichen erfaßten, und wenn zu ihnen auch
meist gerade die minder Gefährdeten kommen; sie bildeten doch mit
ihren geschlossenen Massen den großen Block, dessen Haltung von ent-
scheidendem Einfluß ist.

Seit jenem Jahre 1923 ist unsere Entwicklung im Reich fast überraschend
schnell vorwärtsgegangen. Die Verhältnisse haben sich befestigt, und wenn
auch im sozialen und kulturellen Leben noch unendlich viel faul ist, eine
gewisse Haltung ist doch wiedergefunden, die verpflichtend auf die große
Menge wirkt. Unter dem Einfluß dieser Entwicklung aber hat sich auch die
Jugend beruhigt und viel von ihrer Leidenschaftlichkeit aufgegeben. Der
Überschwang des Gefühls aus den ersten Nachkriegsjahren hat sich bei
der Jugend gelegt, die Kritik am Bestehenden ist sehr leise und eine viel
sachlichere Betrachtung ist üblich geworden. Es liegt natürlich viel Gutes
in dieser Entwicklung, denn so notwendig der Überschwang der früheren
Jahre war, es lag nicht selten fachliche Unkenntnis und Untüchtigkeit
dicht dabei, und der große Schwung endete nur zu leicht in der Phrase.
Die Jugend jener Jahre ging leicht an der Erkenntnis vorbei, daß sich hart
im Raum die Sachen stoßen und daß kein Ergebnis herauskommt, wenn
jeder nur für das Unbedingte und Unbegrenzte seine Kraft einsetzen will.

usw. usw.

Quelle: G.D.A.-Jahrbuch für Deutsche Angestellte 1929.
Gewerkschaftsbund der Angestellten, Berlin-Zehlendorf (Hrsg.)

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